Liebe auf den zweiten Blick

Junge Karriere / Handelsblatt

Einmal von Bord, für immer fort? Von wegen. Mitarbeiter kehren heute immer häufiger zu ihrem alten Arbeitgeber zurück, nachdem sie eine Zeit lang woanders gearbeitet haben. Die einst verlassenen Chefs freuen sich und halten ihren Top-Kräften gern die Tür für ein Comeback auf.

Nach sieben Jahren wollte Peter Wiedenhoff mal was Neues sehen. Er hatte 2006 direkt nach seinem Uni-Abschluss bei der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) angefangen. In den folgenden Jahren stieg der Wirtschaftsingenieur bis zum Projektleiter auf, Fachbereich Automobilindustrie. Doch 2013 kündigte er seinen Arbeitsvertrag – und wechselte zum Automobilzulieferer Webasto. „Ich war neugierig auf neue Erfahrungen“, erzählt Wiedenhoff. Bei seinem neuen Arbeitgeber baute er binnen eines Jahres eine neue Abteilung auf, die für die firmeneigene Entwicklungsabteilung neue Trends in Produkte umsetzte.

Nach einem Jahr Konzentration auf ein einzelnes Thema suchte Wiedenhoff allerdings wieder die Themenbreite und die Geschwindigkeit, die er von seinem alten Arbeitgeber aus der Beratung kannte. Also klopfte er wieder bei BCG an und konnte 2014 nach einem vereinfachten Rekrutierungsverfahren ohne Probleme zurückkehren. Heute berät er von München aus wieder Firmen aus der Autobranche. Dabei profitiert er von seinem Ausflug in die Industriewelt. „Aus diesem Jahr habe ich ein großes Verständnis für die Prozesse und Entscheidungswege in der Automobilbranche und in einem Unternehmen mitgebracht“, sagt der 38-Jährige.

Karriereschritte, wie sie der Unternehmensberater Wiedenhoff hingelegt hat, bezeichnen Personaler als Bumerang-Hiring. Andere sagen auch Jojo-Recruiting oder schlicht Re-Hiring dazu. Immer geht es darum, dass Aussteiger wieder bei ihrem alten Arbeitgeber einsteigen – häufig mit neuen Erfahrungen und zu besseren Konditionen als noch zum Zeitpunkt der Kündigung. Im Fußball ist das Phänomen schon lange nichts Ungewöhnliches mehr. Udo Lattek wurde als Trainer von Bayern München Anfang der Siebzigerjahre drei Mal Deutscher Meister und kehrte nach zehnjähriger Pause zurück, um erneut drei Mal die Meisterschale zu holen. Und lange schon gehen Handwerker auf die Walz, wenn sie in einem Betrieb ausgelernt hatten und sich dort nicht mehr weiterentwickeln konnten. Unterwegs sammelten sie neue Erfahrungen und kamen anschließend oft in den alten Betrieb zurück.

Doch davon mal abgesehen wäre vor einigen Jahrzehnten wohl kaum ein Personalverantwortlicher auf die Idee gekommen, ehemalige Mitarbeitereinfach wieder einzustellen. Wer einmal gekündigt hatte oder wem gekündigt worden war, galt als verbrannt. In den vergangenen Jahren allerdings setzte ein Wandel ein. Und er begann an den Unternehmensspitzen. Apple-Mitgründer Steve Jobs beispielsweise schied 1985 im Streit aus seiner Firma aus, 1997 kehrte er zurück. Und Jack Dorsey, der 2006 Twitter mit ins Leben gerufen hatte, wurde zwar 2008 als CEO gefeuert. Doch nach einigen Wechseln an der Spitze holte ihn das Unternehmen 2015 wieder an Bord. Heute verstehen zunehmend mehr Personalverantwortliche, dass ihre Mitarbeiter aus unterschiedlichen Gründen kündigen. Und nicht immer müssen diese Gründe und Ursachen gegen eine spätere Rückkehr sprechen.

„Wir bemerken ein höheres Interesse bei Unternehmen, Mitarbeiter erneut einzustellen.“

Katrin Luzar,
Karriere-Expertin bei der Online-Stellenbörse monster.de

Neue Quellen für die Kandidatensuche

„Wir bemerken ein höheres Interesse bei Unternehmen, Mitarbeiter erneut einzustellen“, stellt Katrin Luzar fest, Karriere-Expertin bei der Online-Stellenbörse monster.de. Das gelte insbesondere in den oberen Hierarchieebenen, wo Top-Kräfte rar gesät sind, sowie allgemein in jenen Branchen, in denen der Arbeitsmarkt eng ist. Dazu gehören Luzar zufolge neben der IT- und Technologie-Branche auch der Versicherungs- und Bankenbereich sowie der Pflegesektor. „Der sich in solchen Branchen abzeichnende – und zum Teil schon existierende – Fachkräftemangel führt dazu, dass Unternehmen zusätzliche Quellen für die Kandidatensuche erschließen müssen und dabei das Bumerang-Recruiting als Strategie entdecken“, erklärt die Karriereexpertin. Zudem rufen Unternehmen in Boomphasen Ruheständler zurück an den Arbeitsplatz – ebenfalls eine Form von Bumerang-Hirings. In anderen Fällen sorgen Gewerkschaften und Betriebsräte dafür, dass Firmen zunächst jene Mitarbeiter wieder anstellen, denen vorher wegen Restrukturierungen oder betriebsbedingt gekündigt worden war, bevor sie neue anwerben.

Die Trendwende lässt sich durch Zahlen belegen. So hat das USamerikanische Workforce Institute im Herbst 2015 1.800 Personalverantwortliche und Unternehmensmitarbeiter in den USA zum Bumerang-Recruiting befragt. Immerhin 85 Prozent der teilnehmenden Unternehmen hatten in den fünf Jahren vor der Befragung Bewerbungen von ehemaligen Mitarbeitern auf dem Tisch. Und 40 Prozent haben Ehemalige auch wieder an Bord geholt. Insgesamt gaben drei Viertel der HR-Spezialisten an, häufiger Ex-Mitarbeiter einzustellen als in der Vergangenheit. Früher, so erklärten sie, sei das undenkbar gewesen. Vor allem Young Professionals denken der Studie zufolge zunehmend auch an Bumerang-Werdegänge. Sie bleiben häfig nur zwei bis drei Jahre bei einem Arbeitgeber und wechseln dann, um sich beruflich weiterzuentwickeln. Dabei schließen sie eine Rückkehr nicht aus. So können sich 46 Prozent der Millennials eine Tätigkeit bei einem ehemaligen Arbeitgeber vorstellen. Bei der vorangehenden Generation X ist es nur ein Drittel, bei den älteren Babyboomern noch weniger.

Langwierige Bewerbungen hinfällig

Dabei stehen die Chancen gut, dass beide Seiten etwas von einem beruflichen Comeback haben, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber. „Zunächst sind langwierige Rekrutierungs- und Bewerbungsphasen hinfällig“, sagt Christoph Niewerth, der als Vorstand beim Personalvermittler Hays unter anderem den Bereich Talent-Solutions verantwortet. „Zudem ist der Mitarbeiter, der wieder zum ehemaligen Arbeitgeber zurückkehrt, meist schon sehr gut mit dessen Unternehmenskultur, den Arbeitsprozessen und sonstigen Gepflogenheiten vertraut.“ Daher wisse der ehemalige Kollege genau, was ihn erwartet. Bei einem neuen Arbeitgeber ist das Risiko zu scheitern dagegen hoch. So gehen laut einer Erhebung des US-amerikanischen Instituts Leadership IQ immerhin 46 Prozent aller Neueinstellungen in den ersten 18 Monaten wieder in die Brüche.

„Viele Unternehmen verkennen, dass Ehemalige bei der Rückkehr neue Kenntnisse und Fähigkeiten mitbringen.“

Christoph Niewerth,
Vorstand beim Personalvermittler Hays

Arbeitgeber nehmen natürlich meist nur solche ehemaligen Mitarbeiter zurück, die vorher ihren Job mindestens gut gemacht haben, möglichst sogar sehr gut. Zwar müssen die Ehemaligen wieder ein – wenn auch manchmal reduziertes – Bewerbungsverfahren absolvieren. „Aber dann kann sich der wiedereingestiegene Mitarbeiter sofort auf die eigentliche Aufgabenstellung konzentrieren“, erklärt Niewerth. „Es vergeht keine Zeit für eine Einarbeitungsphase oder sonstige Eingliederung in den Betrieb.“ Zudem kehre ein Mitarbeiter mit neuen Qualifikationen zurück. „Viele Unternehmen verkennen, dass Ehemalige bei der Rückkehr neue Kenntnisse und Fähigkeiten mitbringen“, betont Niewerth. Er weiß das aus eigener Erfahrung, weil er bei Hays selbst Bumerang-Recruiting praktiziert und nach eigener Aussage schon diverse frühere Mitarbeiter zurückgewonnen hat. Das schärfe nicht zuletzt auch das Profil als Arbeitgebermarke.

Vollkommen reibungslos geht eine Rückkehr natürlich nicht immer ab. Viele Young Professionals hadern sogar. Wer an anderer Stelle neue Erfahrungen gesammelt hat, muss sich häufig überwinden, den ehemaligen Arbeitgeber wieder ins Kalkül einzubeziehen, wenn es um die eigene Weiterentwicklung geht. „Wer sich allerdings zwischenzeitlich fachlich und persönlich entwickelt hat, sollte seine Bedenken ruhig über Bord werfen und zum alten Arbeitgeber zurückkehren“, rät Niewerth. „Ein solides Unternehmen mit guter Unternehmenskultur wird den Vorteil, den es durch den ehemaligen Mitarbeiter erlangt, schnell erkennen. Damit eine Rückkehr möglich bleibt, müssen Arbeitnehmer allerdings dafür sorgen, dass trotz des Absprungs die Tür weiter offen steht. Vor allem Young Professionals, die sich häufig ihres Marktwerts bewusst sind, sollten sich nicht zu Hochnäsigkeit verleiten lassen. Eine professionelle Kündigung mit Stil und ein fairer Trennungsprozess sind die Grundvoraussetzung für eine Rückkehr. Sehr hilfreich ist natürlich ein bleibender Kontakt zum alten Arbeitgeber.

Geschenke an die Ex-Mitarbeiter

Aber auch die Unternehmen – den drohenden Fachkräftemangel im Nacken – bemühen sich zunehmend um ihre ehemaligen Topkräfte. So bedenken einige von ihnen noch jahrelang ausgeschiedene Mitarbeiter am früheren Einstellungstag mit einem kleinen Geschenk oder einer Grußkarte. Viele laden die Ehemaligen weiter zu Betriebsfeiern ein, veranstalten Alumni-Treffs oder schicken ihnen die aktuellen Ausgaben der Mitarbeiterzeitschrift zu. Und in zahlreichen größeren Konzernen gibt es Ehemaligen-Clubs, damit der Kontakt nicht abreißt.

Manche Arbeitgeber haben inzwischen sogar gezielt Programme aufgesetzt, um ehemalige High Potentials wieder an Bord zu holen. So können sich Ex-Berater von Booz Allen Hamilton auf der Website des Unternehmens als „Comeback Kid“ anmelden. Noch weiter geht die US-Firma Kronos, ein Anbieter von Workforce-Management-Lösungen in der Cloud. „Möchten Sie zu Kronos zurückkommen? Die Tür steht offen“, schreibt das Unternehmen auf seiner deutschen Website. Das explizite Angebot ist eine Idee von David Almeda, Personalchef bei Kronos. Er arbeitet seit 2010 beim Unternehmen. Im Jahr 2014 hatte er jedoch das Angebot eines Einzelhändlers auf den Tisch, der ihm versprach, dass er dort an zentraler Stelle mitwirken könne, um die Branche quasi neu zu erfinden. Es war ein verlockendes und lukratives Angebot, sogar ein Dienstwagen samt Fahrer war im Gespräch, um einen längeren Arbeitsweg auszugleichen. „Ich hatte große Lust darauf, dort zusammen mit dem restlichen Management-Team frei gestalten zu können“, sagt Almeda.

Doch schon an seinem ersten Arbeitstag stellte sich heraus, dass der neue Arbeitgeber keineswegs so offen für neue Impulse war, wie er zunächst versprochen hatte. „Es war schnell klar, dass das Unternehmen keineswegs in die Richtung gehen wollte, die ich im Sinn hatte“, sagt Almeda. Glücklicherweise hielt er weiterhin guten Kontakt zum Kronos-CEO. Nach anderthalb Monaten und einem langen Gespräch mit seinem ehemaligen Boss kündigte Almeda seinen neuen Job wieder – und kehrte zu seinem alten Unternehmen zurück.

Auch wegen dieser Erfahrung und weil Kronos damals rund um die Welt versprengt schon mehr als 180 Bumerang-Angestellte beschäftigte, setzte Almeda das koordinierte Rückkehr-Programm auf. Zudem regt er seine Manager dazu an, den Ehemaligen öfters mal eine freundliche Mail zu schreiben oder sich mit ihnen auf einen Kaffee zu treffen. „Das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hat sich grundlegend verändert“, sagt Almeda. Früher bestimmte der Arbeitgeber, wer dableiben durfte und wer gehen musste, während die Mitarbeiter dem nur folgen konnten. „Aber heute“, so Almeda, „sind die Arbeitnehmer ebenso frei in der Wahl, zu gehen und sich einfach einen neuen Job zu suchen. Und darum sind Firmen gut beraten, ihren Mitarbeitern alle Türen offen zu halten.“