Es ist ein seltener Anblick in der Pariser Innenstadt, wo sich sonst die Häuser dicht an dicht drängen: Etwas nördlich des Montmartre-Hügels öffnet sich, gesichert von Toren und Schranken, ein großer, leerer Platz. Ringsum enden die typischen Pariser Altbauten. Deren Einwohner blicken von ihren Balkonen auf Reihen aus nummerierten Stellplätzen, jeweils so lang wie drei Autos. Hier, in der Rue Championnet, unterhält das öffentliche Pariser Nahverkehrsunternehmen Régie Autonome des Transports Parisiens (RATP) eins seiner 25 Busdepots. Von dem großen Stellplatz schwärmen jeden Morgen rund 250 Busse aus zum Einsatz in der französischen Hauptstadt. Jetzt, tagsüber, stehen noch immer einige davon in der türkis-weiß-dunkelgrauen RATP-Lackierung in Reih und Glied, darunter zahlreiche Lion’s City von MAN mit Diesel- oder Erdgasantrieb.
Auf der anderen Seite eines Zauns betreibt die RATP zudem ihre zentrale Bus-Werkstatt für Paris. In einer der riesigen Werksallen schwebt ein 18 Meter langer MAN-Gelenkbus zur Inspektion in der Luft, angehoben von sechs gewaltigen Wagenhebern. Von anderen Fahrzeugen steht nur noch die Karosserie, der Rest ist gerade demontiert. „Wir haben hier Fachkräfte, die können einen Bus quasi komplett neu bauen“, sagt Marc Lemercier stolz. Er ist bei RATP der verantwortliche Manager für „Matériel Roulant Bus“, also für Busfahrzeuge inklusive Spezifikationen bei Neuausschreibungen. Sein Büro liegt direkt auf dem 90.000 Hektar großen Werksgelände.
Alles strebt in die Mitte
Lemercier weiß aus seinem Arbeitsalltag: Die besondere urbane Struktur von Paris stellt den dortigen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) vor extreme Herausforderungen. Denn die Stadt, in deren Großraum zwölf Millionen Menschen leben, ist konsequent zentralistisch angelegt – alles strebt in die Mitte. Die Innenstadt ist darum die am dichtesten besiedelte Europas, mit doppelt so vielen Einwohnern pro Quadratmeter wie Berlin. Dorthin bringt der Nahverkehrsbetreiber RATP seine Passgiere vor allem über sternförmig angelegte U-Bahnen (Métro) und S-Bahnen (RER) sowie ringförmige Straßenbahnen.
In dieser vergleichsweise starren Struktur dienen die Busse als schneller Zubringer und flexible Verbindungselemente – je weiter entfernt vom Zentrum, desto häufiger. „Daher sind unsere Busse enorm wichtig für uns“, erklärt der RATP-Manager Lemercier: „Sie bilden ein Netz, das Passagiere auffängt und zu anderen Verkehrsmitteln bringt.“ Insgesamt befördert die RATP mit ihren Bussen jedes Jahr mehr als eine Milliarde Passagiere.
Das Verkehrskonzept der RATP kommt an bei den Pariserinnen und Parisern. Nach Berechnungen, die der Wirtschaftswissenschaftler Frédéric Héran von der Universität Lille I in dem französischen Magazin „Les Cahiers Scientifiques du Transport“ veröffentlicht hat, ist der Anteil von Tram, Bus und Bahn am Stadtverkehr zwischen 1990 und 2015 um 30 Prozent gestiegen. Kein Wunder, dass in Paris einer Untersuchung der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge so viele Menschen den ÖPNV nutzen wie fast nirgendwo sonst in Europa. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Managementberatung Deloitte, die Paris im Rahmen ihres „City Mobility Index“ besonders für das wandlungsfähige und effiziente Transportsystem lobt.
Hinter dem Erfolgt steckt politischer Wille. Vor allem die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo treibt den Umstieg auf Bus und Bahn voran. So erklärte sie der französischen Sonntagszeitung „Journal du Dimanche“, sie wolle in der Stadt „die Zahl der umweltschädlichen privaten Autos ungefähr halbieren“. Die Pariser Straßen sind so überlastet, dass Pkw im Schnitt gerade mal zehn Stundenkilometer fahren – und dabei stark die Luft belasten. „Es gibt zu viele Autos in Paris“, sagte Hidalgo. Der Wandel hin zu sauberen Transportmitteln habe für sie darum „absolute Priorität“.
Die staatseigene RATP soll diesen Wandel mit attraktiven Angeboten unterstützen. Und dazu gehören unter anderem moderne, umweltfreundliche und geräuscharme Busfahrzeuge sowie effiziente Liniennetze. Erst im April hat der ÖPNV-Anbieter das gesamte Busnetz des Pariser Großraums reformiert, das aus 300 Linien und mehr als 12.000 Haltstellen besteht, und es mit neuen Linien und Streckenführungen an die aktuelle Nachfrage angepasst.
Die Taktung ist eng
So sieht man denn die türkis-weiß-dunkelgrauen Busse, von denen die RATP insgesamt 4700 Stück betreibt, ständig und überall in Paris. Sie zirkulieren im dichten Kreisverkehr des Place Charles de Gaulle, rauschen beinahe lautlos am malerischen Park Jardin du Luxembourg vorbei oder fädeln sich durch die engen Gassen des alten Stadtviertels Marais. Die Taktung ist eng, teils nutzen die Busse eigene Verkehrsspuren, um die Fahrpläne einhalten zu können.
Wer in der französischen Hauptstadt am Straßenrand steht, wird dabei nicht lange auf ein MAN-Modell warten müssen. Denn MAN gehört zu den wichtigsten Lieferanten für den Bus-Fuhrpark des Pariser Nahverkehrsunternehmens. Fast ein Viertel der RATP-Busflotte besteht aus Bussen von MAN – insgesamt rund 1100 Stück. Dazu gehören unterschiedliche Dieselmodelle als 12-Meter-Standard- oder 18-Meter-Gelenkbus ebenso wie per Erdgas angetriebene Fahrzeuge oder Busse mit Hybridantrieben.
Zudem betreibt der internationale Ableger RATP Dev unter anderem 242 Midi-Busse vom Typ Lion’s City M in der saudischen Hauptstadt Riad. Aktuell produziert MAN für die RATP eine neue Lieferung gasbetriebener Busse, die ab 2020 zum Einsatz kommen werden. Der Verkehrsbetreiber nutzt damit alle verfügbaren Antriebsarten, um seine Passagiere zuverlässig, umweltschonend und zu den geringstmöglichen Kosten zu transportieren.
„Die RATP ist ein anspruchsvoller Kunde mit reichlich Erfahrung und Expertise“, sagt Stéphane Lorho, bei MAN Frankreich der verantwortliche Key Account Manager. „Dieser Kunde kommt mit seinen eigenen Vorstellungen und Ideen zu uns, und gemeinsam haben wir bereits mehrfach Projekte vorangetrieben oder technische Details weiterentwickelt.“ Ein Beispiel dafür ist die Tür der Busfahrer-Kabine, die sich geöffnet so arretieren lässt, dass sie aus Sicherheitsgründen den Fahrgastraum abriegelt, wodurch der Fahrer im Bedarfsfall zügig aussteigen kann. Diese Funktion wurde speziell nach Wünschen der RATP integriert.
Projekt „Bus2025“
Das Pariser Nahverkehrsunternehmen nutzt seine Busse außerordentlich intensiv. „Wir haben Fahrzeuge, die am Ende ihres Lebenszyklus eine Million Straßenkilometer gefahren sind“, sagt der RATP-Manager Marc Lemercier in der zentralen Werkstatt und klopft auf das Seitenblech eines Fahrzeugs. Er berichtet, dass sein Arbeitgeber normalerweise im Durchschnitt einen neuen Bus täglich hinzu kauft. Momentan aber habe sich dieser Wert verdoppelt – auf zwei neue Busse jeden Tag.
Der Grund dafür: Die RATP steigen im Rahmen des Projekts „Bus2025“ zurzeit auf Elektro- und Erdgasantriebe um. Das soll im verdichteten Pariser Stadtzentrum die Nerven und die Gesundheit der Einwohner schonen, weil es Luftverschmutzung und Lärmemissionen eindämmt. „Es ist wichtig für uns, die besten verfügbaren Antriebe zu nutzen, um die Emissionsbelastung möglichst gering zu halten“, betont Lemercier. Der dafür notwendige Umbau der Busdepots im laufenden Betrieb komme „fast schon einer Revolution gleich“.
Das bezieht sich vor allem auf den Umstieg zur Elektromobilität, der im Gegensatz zu den gasgetriebenen Bussen für die RATP eine komplett neue Antriebstechnik darstellt. Schon ab 2021 will das Nahverkehrsunternehmen die ersten Elektrobusse in Betrieb nehmen. Bis zum Stichjahr 2025 sollen zwei Drittel der Flotte mit einem elektrischen Antrieb laufen. Die RATP will die Busse dabei tagsüber durchgehend betreiben, also ohne irgendwelche Ladestopps zwischendurch.
Auf eben dieses Konzept setzt auch MAN mit dem Lion’s City E, der neuen Elektrovariante des Erfolgsmodells Lion’s City mit besonders großen Batterien: Er wird zuverlässig eine Reichweite von 200 Kilometern liefern, bei guten Rahmenbedingungen sind es bis zu 270 Kilometer. In der zweiten Jahreshälfte 2020 soll der Elektrobus in die Serienproduktion gehen, zunächst in der 12-Meter-Variante, gerade mal sechs Monate später folgt das 18-Meter-Modell. „Damit werden Verkehrsbetreiber wie die RATP die Möglichkeit bekommen, komplett emissionsfrei in den Städten zu fahren – wobei sie wegen der großen Reichweite auch keine neuen Linienpläne brauchen“, erklärt Isabel Jeschek, Product Launch Manager für den Lion’s City E. „Komfortabler und flexibler kann man den Umstieg auf die Mobilität der Zukunft kaum gestalten.“
Ob sie nun angetrieben werden von einem zuverlässigen und sauberen Dieselmotor, von einem emissionsarmen Erdgasmotor oder sehr bald schon von einem komplett emissionsfreien Elektromotor: MAN-Busse bieten eine Lösung der Mobilitätsprobleme von heute – und von morgen. Der Dreiklang der Antriebe ermöglicht es Kommunen, die eigenen Bürger ressourcenschonend und zu niedrigen Kosten mobil zu halten. Die Busse steigern damit die Lebensqualität der Bürger. Und das ist selbst in einer Stadt wie Paris, die bereits zu den lebenswertesten der Welt gehört, ein echtes Plus.