Von oben sieht man es: Die Stadt des Goldes ist eigentlich ein Meer. Ein Meer aus Hütten und Häusern, das bis zu den Horizonten schwappt. Ein Meer, das im Sonnenlicht nicht glitzert, das tut nur die Insel aus Wolkenkratzern in seiner Mitte. Und ein Meer, das weiter draußen zahllose geometrische Berge in Beige umspült: Abraumhalden aus den alten Minen, ihre Schächte liegen direkt unter dieser Stadt, die auf Zulu „eGoli“ heißt, Platz des Goldes. Johannesburg, die größte Stadt Südafrikas und reichste Stadt des gesamten afrikanischen Kontinents, ist ein unwirkliches, unendliches Siedlungsmeer aus verspiegelten Hochhäusern, Vorortbungalows, Industrieruinen, Wellblechbarracken, Alleenbäumen, Autobahnbrücken, Fördertürmen und Schutthalden. Es ist eine Nicht-Stadt, wie ein afrikanisches Detroit, es gibt sie eigentlich gar nicht.
Oder besser: Es gibt viele Johannesburgs. So viele wie Einwohner, weil die sich wegen der horrenden Verbrechensraten ganz in ihre Stadtteile, in ihre Häuschen und Büros, in ihre vergitterten Arbeits- und Schlafzimmer zurückgezogen haben und dort getrennt von ihren Mitbürgern ihre eigenen Versionen der Stadt erfinden. Eines dieser Johannesburgs liegt im grünblättrigen Vorort Melville, wo sich ein meterhohes, stachelbewehrtes Metalltor wie von alleine öffnet, als der Motor des Mietwagens zu brummen aufhört. Ein Gesicht guckt ein bisschen mürrisch aus der Metallmauer und führt die Besucher dann vorbei an einer schwarzen Limousine, einem roten Sportflitzer und einer kleinen Villa zu einem verdreckten Pool, in dem ein anderer Mann halbherzig herumfischt. Der Mann am Wasser deutet verächtlich auf die Algenbrühe. „Das“, sagt er, und es ist das erste, was er sagt, „das passiert, wenn Du ein Haus mit Pool an einen schwarzen Mann verkaufst, der nicht schwimmen kann.“ Alle lachen.
Der Witz ist lustig, denn es ist ein Klischee, dass schwarze Afrikaner nicht schwimmen können. Der schwarze Mann mit dem lustigen Witz heißt Bonginkosi Thuthukani Ka Dlamini. Aber im ganzen südlichen Afrika, von Sambia über Simbabwe und Mosambik bis Südafrika, ist er besser bekannt als Zola. Wie sein französischer Namensverwandter mit dem Vornamen Émile engagiert er sich für die Unterdrückten dieser Welt und berichtet von den Ungerechtigkeiten die ihnen von den Herrschenden angetan werden. Aber der Name von diesem Zola hier wird mit Betonung auf der ersten Silbe ausgesprochen, er stammt aus der Sprache seines Volkes, Zulu, und er bedeutet so viel wie ruhig, gelassen, ausgeglichen. Dieser Zola hier ist Musiker. Aber er war noch nie der trickreichste Rapper oder der stimmgewaltigste Sänger, und er ist auch nicht mehr der bestverkaufendste Star seiner Musik, Kwaito, bei der in afrikanischen Sprachen wie Xhosa, Zulu oder Sotho über runtergepitchte Housebeats mit vielen Synkopen gerappt wird. Dieser Zola hier ist außerdem noch Schauspieler, TV-Star, Unternehmer, Philosoph, vor allem aber ein Popkultur-Idol, ein Gesamtkunsterk, ein Phänomen. Der 30jährige ist – nach Kalibern wie dem gottgleich verehrten Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela oder dem Freiheitshelden Erzbischof Desmond Tutu – der berühmteste und beliebteste Mann Südafrikas.
Der südafrikanische Superstar legt die Poolbürste beiseite und geht seine Einfahrt runter, vorbei an einer Büste des legendären Zuluführers Bhambatha und Wandmalereien, die ihn, seine beiden Töchter, seine Schwester und seine Mutter zeigen. Er steigt in die riesige schwarze Chrysler-Limousine, Kennzeichen „Zola 7“, und dreht den Zündschlüssel. Es ist das größte Auto, das an diesem Wochenende in Johannesburg zu sehen ist. Früher hing draußen vor der Einfahrt ein Schild, mit dem sich der Hausbesitzer über seine – vornehmlich weißen – Nachbarn und deren Vorurteile lustig gemacht hat: „Do not hoot, wild Soweto animals“. Er hat es inzwischen abgehängt. Aber dorthin, nach Soweto, soll die Fahrt gehen. Dort, in den „South Western Townships“, liegen Zolas Wurzeln. Im legendärsten jener Ghettos also, in die die Apartheidsregierung bis Ende der Achtzigerjahre Menschen mit dunkler Hautfarbe abgeschoben hatte. Spätestens seit dem Studentenaufstand von 1976 ist Soweto ein mythischer Boden für die Freiheitsbewegungen des Landes, allen voran Mandelas African National Congress sowie die Zulu-Organisation Inkatha Freedom Party. Hier wurde für die Freiheit, die heute in dem Land herrscht, gekämpft, gelitten und gestorben. Hier schlägt eines der schwarzen Herzen Südafrikas.
Soweto ist eine Stadt vor den Toren der Stadt. Eine endloses schwarzes, braunes, beige- und ockerfarbenes Gewimmel von Menschen, Kühen, Ziegen, Schafen und einstöckigen Häusern, Hütten und Barracken, verbunden von geteerten Straßen, an deren Ecken Händler Fleisch grillen oder Obst auf Holzbrettern verkaufen. Links der Straße reitet ein Mann ohne Sattel auf einem weißen Pferd, auf der Gegenfahrbahn fahren drei Homeboys auf blitzenden schweren Motorrädern vorbei. An den Laternenmasten hängen die Schlagzeilen der Klatschpresse. Jede zweite Tafel berichtet über die neuesten Taten und Verfehlungen von Zola und seinen Kwaito-Kollegen. Diese Musik ist riesig hier.
Die schwarze Limousine fährt nicht mehr 30 Stundenkilometer, „Mehr ist doch Wahnsinn“, sagt Zola. Mehr geht auch nicht, weil alle 30 Meter Menschen vom Straßenrand in den Weg springen, lachen und seinen Namen rufen. Zola ist in seinem Element. Er hupt und ruft jedem Winkenden einen Spruch zu. Wie läuft’s? Fahrt vorsichtig Leute! Warum habt Ihr keine Ladys auf dem Rücksitz, es ist doch Wochenende? Er benutzt Tsotsi-taal, das Township-Kreolisch aus afrikanischen Sprachen wie Zulu, Xhosa oder Sotho sowie Englisch und Afrikaans. Am Straßenrand kreischen und winken Kinder in Schuluniformen. Zola stoppt ein paar Mal, steigt aus, nimmt Babys auf den Arm, kitzelt ihnen den Bauch und spricht ein paar aufmunternde Worte mit deren Müttern. Jeder hier kennt Zola, jeder der offiziell fast zwei Millionen, inoffiziell eher drei bis vier Millionen Einwohner von Soweto. Auf seinem T-Shirt steht eine Nachricht an sie: „Put down your guns, pick up your guitars“.
Der kleine Bonginkosi war immer zu sanft, um ein echter Tsotsi zu werden, ein Township-Gangster. Er hat es versucht, aber es lag ihm nicht. Heute, da er nicht mehr Bonginkosi ist, sondern Zola, spielt er in Kinofilmen und Fernsehserien meist abgebrühte Kriminelle. Und er macht sich gut in diesen Rollen, mit seiner geknickten Nase und den Narben im Gesicht. In Wahrheit aber ist er ein Mamasohn, im besten Sinne. Zolas Mutter ist Priesterin in der Zionist Christian Church, sie arbeitet noch immer, obwohl sie schon fast 70 ist. Sie hat ihn aufgezogen, sie hat ihm gezeigt, wie stark Frauen sein können und wie verantwortungslos Männer. Zolas Vater verschwand früh aus der Familie. Der kleine Bonginkosi fiel schon bald durch seine große Klappe auf. Irgendwann überredete ihn ein Lehrer dazu, bei Communityprojekten in Theaterstücken mitzuspielen. „Das war besser, als nichts zu tun, und es hielt uns bei Sinnen während der Apartheid“, sagt er.
Anfang der Neunzigerjahre startete Kwaito in den Townships und den schwarzen Vierteln Johannesburgs wie Hillbrow oder Yeoville. Nelson Mandela wurde aus der Haft entlassen, die Rassentrennung wurde aufgehoben, es gab die ersten freien Wahlen des Landes, und Kwaito wurde zum Soundtrack dieses politischen Wandels. Die Stars damals hießen M’du Masilela, Oskido oder Arthur Mafokate. Viele von ihnen stammten aus demselben Viertel wie Zola, er wollte einer von ihnen sein. Zunächst aber wurde der Laienschauspieler 1999 für die Rolle des Drogendealers und Vergewaltigers Papa Action in der Fernsehserie „Yizo Yizo 2“ des staatlichen Senders SABC gecastet. Und als Marketinggag sollte der Hauptdarsteller auch gleich noch das Titelstück der Serie singen, natürlich ein Kwaito-Track.
Zolas „Ghetto Fabolous“ wurde ein Riesenerfolg. Sein Debütalbum „Umdlwembe“, was so viel heißt wie „räudiger Straßenköter“, erschien kurz darauf beim größten Kwaito-Label des Landes, Ghetto Ruff, und ging in Südafrika rekordverdächtige 200.000 Mal über die Ladentheken. Es inspirierte angeblich den Filmproduzenten Peter Fudakowski dazu, Athol Fugards 40 Jahre alten Roman „Tsotsi“ verfilmen zu lassen. Da lag es nahe, den neuen Stern am Kwaitohimmel im Film mitspielen zu lassen. Zolas bedrohlich schleichendes Porträt des Gangsterbosses Fela trug mit bei zu dem Oscar, den der Film schließlich 2006 einheimste.
Seitdem hat Zola noch drei Alben aufgenommen, das aktuellste, „Ibutho“ von 2005, spricht unter anderem über Themen wie Unzucht mit Minderjährigen oder die Verantwortung junger Väter – eine Ausnahme bei Kwaito-Texten, in denen es sonst meist nur um Party, Party, Party geht. 2003 bekam Zola auch noch seine eigene Fernsehshow, „Zola 7“. Sie ist inzwischen die meist gesehene des Landes, eine Mischung aus Reality-TV und Wohltätigkeitsveranstaltung, in jeder Folge erfüllt Zola einem seiner Zuschauer, die meist aus den Townships des Landes stammen, einen sehnlichen Wunsch. So reiste er beispielsweise kürzlich mit einem Mädchen, das von ihrem Vater vergewaltigt und halb totgeschlagen worden war, zur Kur nach Kenia. Oder er lässt eine andere Kandidatin, die gerne Opernsängerin werden will, als Backgroundsängerin auf seinem Album mitsingen. Seine Fans nennen Zola darum inzwischen auch „Ghetto Dream Maker“.
Dieser Traumerfüller ist außerdem UNICEF-Botschafter des guten Willens für das gesamte östliche Afrika, arbeitet für die NGOs Oxfam und Amnesty International sowie für das International Action Network on Small Arms (IANSA). Und dann ist da noch die „Zola 7“-Produktreihe von T-Shirts, Hosen und Schuhen, die in Südafrika wie von alleine aus den Regalen fliegt. So ergibt sich eine Mischung, deren Bestandteile für Europäer manchmal widersprüchlich erscheinen – eine Mischung aus Gangsterrollen und Gutmenschentum, Kapitalist und Vorbild für die Jugend, Unternehmer und Sprachrohr der einfachen Leute. Für all das wird Zola geliebt. Er ist ein Symbol der Hoffnung, eine Ikone der Besitzlosen, ein netter Onkel für die barfüßigen Kinder auf der Straße. „Ich möchte ein Gigant aus dem Ghetto sein, der die Kinder auf seinen Schultern trägt“, sagt er.
Und er fängt bei seinen eigenen Kindern an. Für seine beiden Töchter von zwei verschiedenen Müttern, die dreijährige Lwandle und die einjährige Mvelo, hat er gerade Häuser gekauft und ihnen seinen gesamten Besitz überschrieben. Mit den beiden Müttern hat er ein entspanntes Verhältnis, eine seiner Exfreundinnen wohnt bei ihm, weil sie gerade keine gescheite Unterkunft hat. All das ist keine Selbstverständlichkeit in einem Land, in dem viele Männer Kinder zeugen und sich dann ohne einen Blick zurück aus dem Staub machen. Und von dem Geld, das er mit einem ersten Album verdient hatte, kaufte Zola seiner alten Mutter erst mal einen Merceds und ein ordentliches Häuschen in Soweto. „Für all das Leid, das sie meinetwegen ertragen musste“, sagt er.
Auf dem Sofa in dem Haus im Johannesburger Stadtteil Auckland Park machen Joints mit schwerem Gras aus Swasiland die Runde. Die Stimmung ist entspannt. Am Morgen noch war nebenan der CNN-Kriegskorrespondent für Afrika überfallen worden. Am helllichten Tage. Vier Bewaffnete hatten ihn, seine Frau und die herumstehenden Sicherheitsleute in Schach gehalten und sein gesamtes Equipment mitgenommen. Zwei Stunden später war er wieder auf Sendung und sagte, das sei furchterregender gewesen, als sein Erlebnis ein paar Wochen zuvor im Nigerdelta. Da hatten Maskierte ihn und sein Team aus der Ferne mit Maschinengewehren beschossen. Dieses Mal hatte er das kalte, schwarze Metall einer Semiautomatik direkt am Kopf. Aber hier drinnen, in dem kleinen reetgedeckten Häuschen mit Garten und Kinderschaukel, ist alles ganz friedlich. Eine Oase der Ruhe mitten in Jo’burg. Die Türen stehen offen, draußen, hinter dem Garten, den Mauern, dem Stacheldraht und dem Metalltor, brummt die Stadt.
Auf dem Großbildfernseher läuft die Castingshow „Idols“, Ausgabe West Africa, gesendet aus Lagos in Nigeria. Die meisten männlichen Kandidaten sind schlechte Imitationen von US-Rappern, die meisten Frauen covern mit Powerstimmen Songs von Whitney oder Beyoncé. Einer der Juroren hat früher bei Fela Kutis Band Egypt 80 Saxofon gespielt, der zweite ist ein Radio-DJ aus Lagos, und die weibliche Richterin ist eine berühmte Sängerin aus Ghana und sieht ein bisschen aus wie Lauryn Hill. Wenn sie nicht gleich abwinken oder Kotzgeräusche machen, sagen die Drei zu den Kandidaten Sätze wie: „Du hast etwas Spezielles, aber es reicht noch nicht“, oder: „Du darfst nicht nur Amerikaner imitieren, Du musst etwas Eigenes finden.“ Alle Drei sind schlimme Poser, aber aber ihre Kommentare treffen fast immer den Punkt.
Irgendwann schleicht sich der Herr des Hauses aus der Abendschwüle zur Tür rein: Lance Stehr ist der Kwaito-Don von Südafrika, auch wenn er nicht so aussieht. Sondern eher wie der entspannte, 48jährige Althippie-Familienvater, der er ist, inklusive Bäuchlein. Er betreibt das Label Ghetto Ruff, auf dem viele wichtige südafrikanische Kwaito-und HipHop-Stars ihre Platten veröffentlichen, Zola natürlich, aber auch Brickz oder DJ Cleo. Lance wohnt in dem kleinen Häusschen zusammen mit seiner Freundin Delphine, die als Zolas Managerin arbeitet, sowie der gemeinsamen achtjährigen Tochter. It’s a familiy affair. Für den nigerianischen Casting-Pop im Fernsehen hat Lance nur Verachtung übrig. Ihm geht es um echte Musik, um Musik mit einem Anliegen, um Musik, die mehr kann, als nur US-Amerikaner zu imitieren. Aber dann sagt er dieselben Sätze über manche seiner Kwaito-Stars wie die posenden Juroren auf dem Bildschirm: Er hatte etwas, aber er war noch nicht bereit. Wir mussten noch an ihm arbeiten, aber es war klar, dass er groß werden würde. Es ist eine seltsame Spiegelung.
Lance ist im London der Siebziger ins Musikbusiness geraten. Er war dorthin emigriert, weil er die Apartheid nicht mehr ertragen hatte. Bekannte wollten ein Reggaelabel gründen und setzten ihn als Strohmann für Lizenzdeals mit Majorlabels ein, weil sie selber noch kurz vorher im Knast gewesen waren. Als Lance 1983 in seine Heimat zurückkehren musste, zog er freiweillig in das pseudounabhängige Homeland Transkei, in das der südafrikanische Staat sonst regelmäßig unerwünschte Menschen mit dunkler Hautfarbe verfrachtete. Dort gründete er auf einer alten Farm eine Musikerkommune, bei der auch öfters mal ANC-Aktivisten Unterschlupf fanden. Man muss das alles über Lance wissen, um das soziale Anliegen seines Labels zu verstehen. „Mein Traum ist es, dass meine Arbeit dazu beiträgt, dass die Zustände in diesem Land irgendwann besser werden“, sagt er. Er sitzt dabei auf der offenen Terasse eines Nobelrestaurants im Johannesburger Stadtteil Zoo Lake. Von irgendwoher kommen Stimmen durch die Nacht. Sie singen das alte Arbeiterlied „Shosholoza“. Früher haben es die Menschen zum Abschied gesungen, wenn sie mit Zügen quer durch das Land zu ihrer Arbeit in den Minen von Johannesburg gefahren sind. Es handelt davon, die Ärmel hochzukrempeln und mutig nach vorne zu schauen.
„Das hier“, sagt Zola und breitet die Arme aus, „das hier ist es.“ Er deutet auf ein grasbewachsenes Brachland zwischen den kleinen Häuschen ringsum. Hier hat er früher Fußball gespielt, und hier entlang ist er immer zu Fuß zur Schule gegangen, von dort rechts nach da hinten bei dem Wasserturm, jeden Tag eine dreiviertel Stunde lang hin und eine dreiviertel Stunde lang zurück. Das hier ist der besonders arme Teil Sowetos, von dem Zola seine Namen hat. Es ist der Stadtteil Zola in Soweto. Die 250.000 Touristen, die jedes Jahr Soweto besuchen, kommen nie hier vorbei. Sie landen immer in Orlando West, wo früher Nelson Mandela und Desmond Tutu in einer Straße gewohnt haben. Aber das soll sich ändern. Denn wenn es nach Zola geht, entsteht auf dieser Brache schon bald ein Museum der südafrikanischen Musik, mit überlebensgroßen Statuen von Legenden wie Miriam Makeba oder Hugh Masekela. Dazu kommt ein riesiges Jugendzentrum, in dem Kinder Skaten, Golfspielen oder etwas über Umweltschutz lernen können, außerdem ein Theater, ein Konferenzzentrum und natürlich ein paar Läden mit afrikanischem Kunsthandwerk, die Touristen mögen sowas ja. Es wird ein weiterer der unzähligen kleinen Anfänge, die Südafrika irgendwann zu einem guten Ort für all seine Bewohner machen sollen. Die Stadt Johannesburg hat das zwei Hektar große Gelände zur Verfügung gestellt, bald beginnen die Bauarbeiten. „Hier finden mindestens 400 meiner Leute Arbeit“, sagt Zola.
Und hier findet auch jemand seine Ruhe. Denn auf dem Gelände soll ein Teil der Asche von Tupac „2-Pac“ Shakur beerdigt werden. Seine Mutter, die ehemalige Black Panther-Aktivistin Afeni Shakur, hatte darum gebeten, weil sie möchte, dass ihr Sohn in afrikanischer Erde ruht. Noch in diesem Jahr soll die Zeremonie stattfinden. Anlässlich von 2-Pacs zehnjährigem Todestag rappt Zola außerdem zusammen mit ein paar Amis wie 2-Pacs ehemaligem Kumpel Snoop Dogg auf einer Tribut-CD. Und dann gibt es da auch noch eine andere Kooperation Zolas, eine gänzlich bizarre Kooperation: Er arbeitet regelmäßig mit Peter Maffay zusammen. Schon auf der zweiten Folge von Maffays Weltmusik-Kooperationen „Begegnungen“ war Zola dabei, die dritte ist gerade in Arbeit. Da begegnet also jetzt: der lederbejackte Kickerfrisur-Altrocker dem schwarzen Homeboy-Volkshelden aus Soweto.
Wie zum Teufel ist Peter Maffay ausgerechnet auf Dich gekommen?
Er wollte mit einem afrikanischen Künstler zusammen arbeiten, der etwas zu sagen hat. Er hatte von mir gehört, und er hatte seine Hausaufgaben gemacht, als er zum ersten Mal herkam. Er wusste alles über mich.
Musikalisch seid Ihr ja nicht gerade nahe beisammen.
Das stimmt, aber wir haben halt eine Verbindung. Es ist fast wie Vater und Sohn. Du solltest mal unseren neuen Song hören. Ich war gerade ein paar Wochen in Tutzing, um den mit Peter aufzunehmen.
Echt, Tutzing am Starnberger See? Und wie fandest Du es dort?
Es ist schon ziemlich anders als Soweto. Ihr Deutschen esst so viel Brot und Käse, kein Wunder, dass Ihr so gesund seid. Ich saß viel im Park und bin spazieren gegangen. Eines Tages kamen ein paar Kinder vorbei, die fanden mich interessant, weil ich schwarz bin. Kinder sind so neugierig, das liebe ich. Ich habe ihnen auf meinem Laptop Bilder aus Afrika gezeigt.
Bist Du zufrieden damit, wie sich Dein Land seit dem Ende der Apartheid entwickelt?
Siehst Du diese Häuser hier? Das ist es, was mein Land für seine Leute tut. Es sind solche Sachen, die mich sehr glücklich und zufrieden machen. Ich bezahle meine Steuern gerne, weil ich weiß, das irgendwo hier ein Kind damit ernährt wird oder jemand davon ein Haus bekommt.
Das klingt toll, aber Ihr habt trotzdem noch ein paar echte Probleme. Zum Beispiel die höchsten Verbrechensraten auf der ganzen Welt.
Natürlich gibt es Probleme. Aber das wird sich legen. Die Leuten, denen es jetzt noch schlecht geht, das sind vor allem die, die noch in der Apartheid geboren wurden. Die neue Generation wird gut ausgebildet sein. Man muss bei den Kindern anfangen, das ist der Schlüssel.
Am Ende des langen, heißen Tages, unter diesem gelben Sonnensegel, ist Zola ganz bei sich. Und bei seinen Homies natürlich. Denn dieser lange, heiße Tag endet an einem Carwash, einer Mischung aus handbetriebener Autowaschanlage, Gemeindetreffpunkt und Blockparty auf einer Straßenecke mitten in Soweto. Dort sitzen Zola und seine Jugendfreunde auf Klappstühlen und trinken namibianisches Bier. Große Fische werden in Alufolie eingewickelt und auf Grills gelegt. Aus den dicken Autos meist deutscher Hersteller ringsum pumpt Deephouse. Alle Autotüren sind offen, Mobiltelefone liegen unbewacht herum, hier kennt jeder jeden. Kein Vergleich zu den paranoiden Weißen in den Vororten im Norden der Stadt.
Vor dem bröckeligen Klohäuschen im Hinterhof des Carwashs stehen ein paar Kinder, manche sind vielleicht zwölf, ein paar höchstens vier Jahre alt. Sie stehen da wie Orgelpfeifen. „Kannst Du singen?“, fragen sie. „Na ja“, sage ich. „Sing was für uns!“ „Und was?“ „Egal, irgendwas.“ Also singe ich, weil mir grad nichts Besseres einfällt und weil ich die Absurdität genieße, hier vor diesem Klohäuschen in diesem Hinterhof mitten in Soweto in Afrika: die deutsche Nationalhymne. Einigkeit und Recht und Freiheit, tja. Die Kleinen hören mit großen Augen zu, ihre Mütter kommen aus der Küche nebenan, alle klatschen, trotz ziemlich mäßiger Gesangsleistung. „Jetzt müsst Ihr aber auch was singen“, sage ich. Und dann singen sie. Und zwar Beyoncés „Irreplaceable“, und zwar im Chor, und zwar mehrstimmig. Ich klatsche, ernsthaft begeistert. „Aber Du warst viel besser“, sagen sie. „Nein“, sage ich, schon ein bisschen betrunken von dem namibianischen Bier in der Sonne, zu den Kindern und Müttern, die sich hier versammelt haben, in diesem Hinterhof mitten in Soweto, und umarme ein paar von ihnen zum Abschied, „nein, Ihr seid besser, Ihr seid viel besser.“